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- Archiv 2017 -

Feldbahnmuseum Hildesheim schließt seine Pforten

Nach 33 Jahren am selben Standort schließen Werner Voß und sein Sohn Andreas ihr Feldbahnmuseum unter der B6-Brücke am Kennedydamm in Hildesheim.
Mit viel Energie, Leidenschaft und in unzähligen Stunden hatten die beiden die Sammlung historischer Feldbahn-Loks und Wagen erweitert, das Gelände gepflegt und über all die Jahre tausenden Kindern und Eltern bei Fahrtagen Freude bereitet.
Den geplanten Umzug auf ein neues Areal werden Werner und Andreas Voß nun nicht mehr antreten : Schweren Herzens schließen sie ihr Museum, die Sammlung wird aufgelöst, genauso der Pachtvertrag mit der Stadt.
Gesundheitliche Probleme und der Frust über wiederholte Einbrüche und Zerstörungen gaben letztlich den Ausschlag.

Bericht im
Kehrwieder am Sonntag
vom 04. / 05.11.2017 :

„Andreas, wir schaffen das !“ Wie oft hatte Werner Voß in den vergangenen Monaten versucht, seinem Sohn Mut zu machen. Und auch sich selbst. Trotz seiner 77 Jahre, trotz Krankheit. Und der Sohn rieb sich weiter auf, um ihr Lebenswerk nicht untergehen zu lassen. Zu viel hatten sie in den vergangenen 33 Jahren investiert, Geld, Zeit, Energie. Immer wieder motivierten sie sich gegenseitig, weiterzumachen.
Und jetzt steht Andreas Voß hier mit trauriger Entschlossenheit unter der B6-Brücke, die ihnen lange ein Dach über den Köpfen war und in deren Schatten über die Zeit tausende Kinder mit ihren Eitern so viel Spaß dabei hatten, sich von Voß Senior oder Junior und den Loks über die 600 Quadratmeter große Anlage ziehen und sich nebenbei in die große Zeit der kleinen Feldbahnen entführen zu lassen. Es war mehr als ein Hobby, dieses Feldbahnmuseum. Es ist wie ein Virus gewesen, den sich der 46-jährige Andreas Voß als Jugendlicher eingefangen hatte vom Vater, der schon lange infiziert gewesen war. Mit 12, 13, da war seine Leidenschaft für Fußball noch deutlich größer als für Feldbahnen. Doch schon wenig später sollte sie entflammen und noch bevor er als Uhrmachermeister auch beruflich dem Werdegang des Vaters nacheiferte, ließ Andreas sich von der Kleinbahnromantik bereitwillig überwältigen. Liebe, denkt man, ist eigentlich ein zu großes Wort, schließlich geht es nur um Maschinen, kaltes Metall, seelenlose Technik, und doch muss es so etwas wie Liebe sein, was Werner und Andreas Voß so viele Jahre getrieben hat.
Und doch hat nun der Kopf übers Herz gesiegt. Das Feldbahnmuseum ist geschlossen, der geplante Umzug auf ein neues Gelände hat sich erledigt, die Voß’sche Sammlung wird aufgelöst.
„Das war’s“, sagt Andreas Voß. Er versucht, sich die dreckigen Hände an der Jeans abzuwischen und reicht nach einem prüfenden Blick auf die Finger dann zur Begrüßung doch nur den Ellenbogen. Mit glasigen Augen und verschränkten Armen blickt er umher, hinüber zu der Lok, deren Diesel die Fahrgeräusche der Autos über ihm übertönt. Er hat den Motor noch mal angeworfen, um zu rangieren. Es gibt Interessenten, die die Lok abnehmen wollen. Andere Sammler, Feldbahnverrückte wie die Voß’, die nun nicht wie die Aasgeier über die Reste dieser einmaligen Einrichtung herfallen, sondern mit Respekt und regelrechter Ehrfurcht über das Areal schreiten.
„Andreas, ich kann das nicht“, habe einer von ihnen, ein guter Bekannter der Familie, gesagt, erzählt Andreas Voß. Er musste dem Freund gut zureden, damit dieser doch noch Lok und Waggons mitnahm. Jetzt, da sie sich endgültig entschieden haben, wollen sie auch, dass alles möglichst schnell abgehakt ist.
Wäre alles wie ursprünlich geplant verlaufen, würden jetzt ein paar hundert Meter weiter schon 100 Meter neue Gleise liegen. Es sollte die neue Heimat des Museums und der Sammlung werden; den alten Standort hätten sie bald zu räumen, weil die B6-Brücke abgerissen werden soll. Nach vielen ausführlichen Gesprächen und Verhandlungen mit der Stadtverwaltung sowie mehreren Sitzungen der politischen Gremien hatten die Voß’ den Pachtvertrag für das neue Areal 2016 unterschrieben. Es waren faire Bedingungen, auch die zuständigen Mitarbeiter im Rathaus wollten das Museum gerne erhalten sehen. „Andreas, wir schaffen das !“ Wenn Werner Voß diesen Satz nicht noch voller Überzeugung gesagt hätte, vielleicht wären Zweifel schon Anfang 2016 größer gewesen. Aber beide zusammen hatten nun das Ziel doch vor Augen. Sie würden das schon schaffen, haben sie doch bisher auch immer.
Doch dann erkrankte Voß Senior ernsthaft. Sein Sohn versuchte, noch mehr zu leisten, besorgte Baumaterial und ackerte auf dem neuen Gelände oder saß nachts noch vor dem Computer - und das in einer Phase, in der ihm plötzlich auch beruflich Brocken vor die Füße fielen, die allein schon gereicht hätten, ihn auszubremsen. Das tat dann sein Körper: Verdacht auf Herzinfarkt. Seine Frau, die ihn immer unterstützt und so seinen Einsatz erst ermöglicht hatte, machte sich ernste Sorgen. Deren Zweifel ließen auch ihn immer mehr grübeln.
„Und dann das noch...“, sagt Voß und zeigt auf den Schuppen, die Fensterscheiben sind eingeschlagen, einzelne Scherben stecken noch im Holzrahmen. Der Lok-Diesel ist inzwischen nach einigem Stottern ausgegangen. Erneut sind Randalierer eingebrochen, haben Werkzeug gestohlen, ohne Sinn und Verstand Inventar zerstört, Waggons mit Farbe beschmiert. Auch auf dem neuen Gelände haben sie schon das Tor aufgebrochen, einfach so. Zu holen gab es dort nichts. Voß schüttelt den Kopf und erzählt, was er den Jugendlichen hinterhergerufen hat, die er vor einiger Zeit auf dem Areal beim Kiffen und Saufen erwischt und vertrieben hatte. Zitieren solle man es aber besser nicht, sagt er und lächelt gequält.
Der Anblick der Zerstörungen, die angegriffene Gesundheit, die Blicke der Frau, der Frust. Es war zu viel. Werner Voß sagte zum ersten Mal nicht mehr „Andreas, wir schaffen das !“. Und der Sohn war ein bisschen froh, dass nicht er seinen Vater dazu bringen musste zu sagen : Es reicht !
Eine Lok werden sie behalten - und einen Wagen, den mit der Metalltafel an der Innenwand : „Privatwagen von Annika und Moritz Voß“ ist dort eingraviert. Andreas Voß’ Tochter war nie ganz so enthusiastisch wie der Vater und der Opa, wenn es um die Feldbahnsammlung ging, doch für den siebenjährigen Moritz ist es gerade keine leichte Zeit. Mit ihm wird Andreas Voß ab und zu mal zu Feldbahntreffen und anderen Museen fahren, die verbliebene Lok und den Wagen der Kinder auf dem Auto-Anhänger, um als Gäste ein paar Runden auf den Gleisen anderer Sammler zu drehen.
Vielleicht überwiegt wieder der Spaß, wenn der Druck gewichen ist. Andreas Voß sagt : „Ich möchte nicht mehr nur knüppeln für das Hobby.“
Dann lächelt er. „Und zuhause im Keller wäre ja auch Platz für eine Modelleisenbahn.“